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Diesmal: Zurück in die Siebziger

1972 veröffentlicht die britische Band MOTT THE HOOPLE ihren Hit „All the young dudes“. Was für viele ein bedeutender Glamrock-Song ist, ist im Zeitalter von TikTok und für die Generation Z vor allem zur Hymne ihrer vier fiktiven Lieblingscharaktere von „Harry Potter“ geworden.

MOTT THE HOOPLE hätten sich eigentlich schon lange vor 1980 getrennt, wenn da nicht David Bowie gewesen wäre und ihnen den Song „All the young dudes“ präsentiert hätte. Die Band trennt sich also nicht, veröffentlicht einen Hit und kurz darauf erscheint das gleichnamige Album via CBS Records, produziert von David Bowie. Für die Gen Z liegt diese Veröffentlichung gefühlte Lichtjahre zurück. Trotzdem gewinnt der Song 2017 plötzlich eine ganz neue Bedeutung.

Im März 2017 veröffentlicht ein:e User:in auf der Fanfiction-Website „Archive Of Our Own (ao3)“ wie viele andere auch eine ausgedachte Geschichte über die vier sogenannten Marauders aus dem „Harry Potter“-Universum. Dabei handelt es sich um die Charaktere Remus Lupin, Sirius Black, Peter Pettigrew und James Potter, die alle in den Siebzigern, also vor den Geschehnissen in den „Harry Potter“-Büchern, nach Hogwarts gegangen sind. Das Besondere an dieser Fanfiction: Es dauert anderthalb Jahre, bis die Geschichte ein Ende findet, und umfasst im November 2018 letztendlich 188 Kapitel und über 500.000 Wörter. Bis jetzt ist die Fanfiction bereits fast sechs Millionen Mal gelesen worden. Und damit hat es der/die Autor:in geschafft, „All the young dudes“ zum inoffiziellen Soundtrack des Marauders-Fandom zu machen, denn die Fanfiction wurde kurzerhand nach dem Song benannt.

Wer absolut nichts mit Fanfiction anfangen kann, dem ist zu sagen, dass sie ein zentrales Element von Fandoms und somit wichtig für die Fan- und Popkultur ist. Das Beispiel dieser Fanfiction macht auch deutlich, wie einflussreich diese Fankultur für die Neuentdeckung von neuer alter Musik ist. Einer ganz neuen Generation wird die Musik der Siebziger und Achtziger Jahre auf einem Silbertablett serviert. Musik, die sie sich vermutlich anderweitig nicht angehört hätten. Musik, die sie bis zu dieser Fanfiction vielleicht als „Alte-Leute-Musik“ abgetan hätten.

Das Marauders-Fandom ist aber nicht neu. Bereits vor Jahren gab es einen Hype um die Marauders auf der damals noch erfolgreichen Plattform Tumblr. Jetzt hat sich aber eine neue Generation von Fans auf die Fahne geschrieben, dieses Fandom fortzuführen und vor allem die Komponenten Musik und Ästhetik mehr zu betonen. So gibt es etliche Playlists auf Spotify, die den Soundtrack für die Marauders-Ära, also die Siebziger und Achtziger, bieten. Musikalisch prägend für das Fandom war hier vor allem auch die genannte Fanfiction, die über alle 188 Kapitel hinweg immer wieder Verweise auf Bands und Musiker wie David Bowie (vor allem sein Album „Diamond Dogs“), T. REX, THE STOOGES oder die SEX PISTOLS enthält. Auch die Optik bleibt nicht auf der Strecke – Doc Martens gelten als elementar im Kleiderschrank eines jeden Marauders-Fans.

Das Marauders-Fandom dürfte außerdem das beste Beispiel dafür sein, welchen Einfluss Fankultur hat. Fans haben sich über Jahre hinweg ihre eigenen Geschichten, ihre eigenen Fakten zu den Marauders ausgedacht und sie weitergesponnen – und das alles unabhängig von ihrer Erfinderin J.K. Rowling, die durch ihre transfeindlichen Kommentare von vielen Fans kurzerhand den Status als Autorin von „Harry Potter“ aberkannt bekommen hat. Fans haben sich ihr eigenes Universum aufgebaut, ihre eigenen Schauspieler gecastet – auch nach etlichen Jahren werden die vier Marauders von Fans immer noch von denselben Schauspielern besetzt: Andrew Garfield („The Amazing Spider-Man“) als Remus Lupin, Ben Barnes („Die Chroniken von Narnia“) als Sirius Black, Aaron Taylor-Johnson („Nowhere Boy“) als James Potter und Dane DeHaan („The Amazing Spider-Man 2“) als Peter Pettigrew. Die Fan-Edits auf TikTok nehmen kein Ende, die musikalische Untermalung bietet in großer Mehrheit „All the young dudes“ von MOTT THE HOOPLE.

Wenn ihr also demnächst jemanden mit einem David Bowie-Shirt von H&M und dazu Doc Martens (Extra-Punkte für rote und gelbe Schnürsenkel) seht, dann könnt ihr davon ausgehen, dass es sich um einen Remus-Lupin-in-den-Siebzigern-Fan handelt. Vielleicht steigen demnächst auch die Preise für die MOTT THE HOOPLE-Platte „All The Young Dudes“ auf Discogs – wem die also noch im Plattenregal fehlt ...