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Volker Astalosch

Es gibt Menschen, die lesen das Ox schon so lange, wie es das Heft gibt, also seit 1989. In dieser Serie werden einige davon vorgestellt. Diesmal: Volker Astalosch aus Düsseldorf.

Bitte stell dich vor.

Ich bin Volker Astalosch, genannt Asti, 51 Jahre alt. Seit Mitte der Neunziger wohne ich in Düsseldorf. Davor in Kaarst im Rheinkreis Neuss. Also klassische Dorfpunk-Sozialisation. Ich habe nach der Schule eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann gemacht und in dem Beruf einige Jahre gearbeitet. Nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit bin ich durch Zufall in Düsseldorf in der Wohnungslosenhilfe gelandet, wo ich in diesem Frühjahr seit zwanzig Jahren arbeite. Zwar mit weniger Kohle als im kaufmännischen Bereich, aber wesentlich mehr Zufriedenheit und dem guten Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Trotz Schichtarbeit und Wochenend- und Feiertagsdiensten. Ich bin seit knapp 25 Jahren glücklich verheiratet und habe einen erwachsenen Sohn, der trotz SLIME, FASAGA, Brieftauben oder FROHLIX als Einschlaflieder früher leider so gar nichts mit Punk anfangen kann.

Kannst du dich noch erinnern, seit wann du das Ox liest und wo du es damals gekauft hast?
Das Ox habe ich seit Anfang der Neunziger sporadisch gelesen, wenn es mal irgendwo im Plattenladen lag, meist bei Hitsville oder Texas Rose Records in Düsseldorf. Seit Mitte der Neunziger wurde es regelmäßiger und 2000 habe ich dann mein Abo abgeschlossen. Damals gab es „Get Some Go Again“ von der ROLLINS BAND als Abo-Prämie. Das gab den endgültigen Ausschlag zugunsten des Ox. Vorher hatte ich das Visions im Abo, aber dort wurde immer weniger mein Musikgeschmack abgebildet und darum musste es gehen und das Ox zog endgültig ein. Abo finde ich wichtig. Ihr könnt planen und ich spare mir den Weg zum Zeitschriftenhändler. Win-Win-Situation.

Was waren damals deine Lieblingsbands, welche sind es heute?
Angefangen hat es, wie wohl bei vielen hier, mit DIE ÄRZTE, seit 1984, und DIE TOTEN HOSEN, etwa seit 1985. Bei mir kamen rasch die SEX PISTOLS und die DEAD KENNEDYS dazu, die liefen damals beide im Jugendprogramm von WDR 1. Ich war anfangs ein echter Punk-Hardliner und habe nicht viel anderes gelten lassen. Post-Punk/Gothic ging auch, weil ich in einer entsprechenden Clique rumhing. In den Neunzigern wurde ich dann offener. Ein bisschen HipHop, Crossover, Hardcore, auch BritPop kamen dazu. Aber Punk blieb über die Jahre immer eine wichtige Konstante und Ausgangspunkt für alles weitere. Heute bin ich für sehr vieles offen. Das kommt aktuell meist aus UK. Ich liebe diese Grimepunk-Geschichten wie BOB VYLAN oder RISKEE & THE RIDICULE. Oder diesen Neo-Post-Punk wie IST IST. Die NOVA TWINS fand ich live auch sehr überzeugend. Überhaupt passiert da gerade im UK-Underground viel Spannendes. Da gibt es viel zu entdecken. Meine all-time faves bleiben aber wohl NEW MODEL ARMY, Nick Cave, CARTER THE UNSTOPPABLE SEX MACHINE, JOY DIVISION, DEAD KENNEDYS und SLIME, wobei ich bei letzteren mit der aktuellen Inkarnation noch ein bisschen fremdele.

Was denkst du, warum bist du dieser Punk/Hardcore-Jugendkultur bis jetzt treu geblieben? Was bedeutet sie dir heute?
Punk hat mich damals aus der Orientierungslosigkeit geholt. Irgendwie dümpelte der junge Asti umher und wusste wenig mit sich anzufangen. Zuerst kam die Musik, dann kam der Look und dann kamen nette und korrekte Leute. Ich fühlte mich endlich aufgehoben und zugehörig. Dass die Musik und der Lifestyle mir gut gefielen, machte es mir umso einfacher. Quasi endlich normale Leute. Leute, die dachten wie ich. Und das gilt bis heute. Du gehst zu Konzerten und triffst Menschen, die du schon ewig kennst oder vielleicht auch gerade erst kennen gelernt hast, und fühlst dich bei ihnen aufgehoben. In Detailfragen denkt man sicher anders, aber im Großen und Ganzen habe ich bisher vorwiegend gute Erfahrungen in/mit der Szene gemacht. Heute sind Punk-relevante Veranstaltungen oft wie ein Klassentreffen. Viele von uns sind gemeinsam alt geworden, aber wir bleiben der Szene treu. Zu viele schöne Erinnerungen und wertvolle Menschen, um das einfach dranzugeben. Old punks never die. We just stand in the back. Overweight, drunk, maybe sometimes tired – but still there!

Betreibst du noch irgendwelche „Szene-Aktivitäten“?
Leider nein. Hat irgendwie nie gepasst. Ich bin „nur“ Konsument. Aber ich bin oft missionarisch unterwegs. Immer schon. Es dürften tausende Mixtapes und -CDs da draußen rumfliegen, die ich Freunden geschenkt habe, um ihnen neue Bands näherzubringen. Heutzutage mache ich das gern mal über meine Facebook Seite, wenn ich etwas tolles Neues entdeckt habe. In den Neunzigern habe ich mal versucht, über Kleinanzeigen ein Tapelabel namens Terrorbär Räckortz aufzuziehen, aber der Erfolg blieb aus. Nur eine Handvoll Leute wollten Samplertapes mit Titeln wie „Mythos RAF“ oder „Onanie – Liebe an und für sich“ haben.

Bitte gib uns eine schmeichelhafte Antwort auf die Frage, was dir fehlen würde, wenn es das Ox nicht mehr gäbe.
Ohne Ox würde mir ein kompetentes Szeneorgan fehlen. Kein Fanzine ist so informativ, so umfangreich, so breit aufgestellt und so sympathisch geschrieben wie das Ox. Das Ox ist irgendwie Familie. Und nicht zuletzt Kaufberatung.

Was liest du als Erstes im Ox, was eher selten?
Toms Kolumne ist definitiv das Erste, was ich lese. Einfach grundsympathisch. Ich fiebere da immer mit. Und erkenne mich auch oft selbst. Die Reviews, vor allem die Rereleases, sind auch mit als Erstes dran. Dann kommen die Interviews und der ganze Rest. Zuletzt meist die Live-Berichte – außer ich war auch da – und die Buch- und Filmbesprechungen.

Das Ox hat sich im Laufe der Jahre musikalisch geöffnet, jedoch ist der Fokus auf Punk und Hardcore geblieben. Wie ist es mit deinem Musikgeschmack?
Mein Musikgeschmack ist ebenfalls offener geworden. Punk und Hardcore bleiben natürlich wichtig. Aber inzwischen mag ich auch linke Electro-Sachen wie EGOTRONIC – RIP Torsun –, Zeckenrap, Psychobilly und vieles andere. Lediglich mit Metal werde ich nicht warm, wobei es auch da Ausnahmen gibt.

Gibt es ein besonderes Erlebnis, das du mit dem Ox verbindest?
Nur indirekt. Euer Schreiber Guntram Pintgen spielte ja bei SMALL BUT ANGRY, unseren damaligen Lokalheroen. Keine Ahnung, wie oft ich ihn und die Band in den Neunzigern live gesehen habe. Dann tauchte er als Schreiber im Ox auf. Und Jahre später war er plötzlich der Englischlehrer meines Sohnes. Zufällig passend zur Band-Reunion. Einer der Zufälle, die nur unsere Szene schreibt.

Was findest du gut am Ox?
Das Ox ist die perfekte Mischung zwischen Fanzine mit persönlichen Ansichten und Meinungen von Menschen aus der Szene und klassischem Musikmagazin. Ihr trefft über weite Strecken meinen Geschmack und berichtet immer kompetent, aber mit persönlicher Note.

... und was sollten wir endlich mal ändern – abgesehen von der kleinen Schrift?
Warum sollte ich Änderungen anregen, wenn ich mit dem Heft glücklich bin, so wie es ist? Und zum Thema Schrift: Seit ich endlich eine Brille habe, ist das Problem gelöst. Nur so als Tipp an die anderen Silberrücken hier.

Und was wolltest du uns schon immer mal sagen?
Ich mag das Ox! Ganz arg! Bleibt, wie ihr seid. Das Ox zaubert immer wieder eine Portion Spaß in meinen Briefkasten. Seit über zwanzig Jahren. Danke dafür!

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Deine Geschichte mit dem Ox an dieser Stelle? Die wollen wir hören bzw. lesen! Egal, ob du das Ox seit zwei oder seit zwanzig Jahren liest. Und es ist ganz egal, ob du Ü20, Ü30, Ü40, Ü50 oder Ü60 bist. Schreib uns: mail@ox-fanzine.de