PUNK ART #37

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Edley ODowd

In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer und Cover gestalten. Diesmal sprechen wir mit Edley ODowd aus New York, der ab 2002 zudem Schlagzeuger von PSYCHIC TV war.

Bitte stelle dich vor. Name, Alter, Beruf, Aktivitäten in der Szene, wo wohnst du, wie und wann bist du zum Punk/Hardcore gekommen?

Mein Name ist Edley ODowd. Ich bin 55 Jahre alt und in dieser Phase meines Lebens nenne ich mich einfach „Künstler“, weil ich im Laufe der Jahre mit sehr vielen verschiedenen Medien gearbeitet habe. Ich komme aus New York City und habe die meiste Zeit meines Lebens dort gelebt. Vor ein paar Jahren habe ich beschlossen, etwas Neues auszuprobieren. Zur Zeit lebe ich im Westen New Jerseys, am Delaware River, das ist schon eine ganz andere Szenerie. Ich habe mich schon sehr früh für Punk und Hardcore interessiert. Ich bin in der Reagan-Ära aufgewachsen, da war die Anziehungskraft des Hardcore natürlich groß. Als ich mit 16 Jahren die Gelegenheit hatte, so unglaubliche Bands wie BAD BRAINS, AGNOSTIC FRONT und FLIPPER zu sehen, war ich wirklich inspiriert davon.

Seit wann bist du künstlerisch aktiv, wie hat es angefangen und wie ging es weiter?
Das hat sich bei mir ganz organisch entwickelt. Als Kind habe ich viel gezeichnet. Meine wunderbare Mutter erkannte, dass ich etwas in mir hatte, das ich zum Ausdruck bringen musste. Sie sparte Geld, um mich in ein Jugendkunstprogramm zu schicken, wo ich viele verschiedene Kunstformen kennen lernte. Als ich etwa zwölf Jahre alt war, fand sie ein günstiges gebrauchtes Schlagzeug und kaufte es für mich, weil ich Interesse bekundet hatte. Sobald mir diese „Werkzeuge“ zur Verfügung standen, habe ich permanent Kunst und Musik gemacht.

Wie arbeitest du? Klassisch mit Papier und Farbe oder digital am Computer?
Ursprünglich ging ich aufs College, um Malerei zu studieren, aber dann habe ich mich dem Grafikdesign zugewandt, weil ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Ich bin nicht mit Computern aufgewachsen. Am Anfang waren sie eher ein Werkzeug. Mit der Zeit entwickelte sich die Technologie des digitalen Designs aber immer schneller und lieferte eine größere Vielfalt an Ergebnissen. Heutzutage bevorzuge ich eine Kombination aus physischer und digitaler Kunstgestaltung.

Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?
Ich begann Ende der 80er Jahre am Purchase College Malerei und Grafikdesign zu studieren. Ich machte ’91 meinen Abschluss und wechselte sehr schnell in den Bereich des kommerziellen Grafikdesigns als Hauptberuf. Ein Großteil meiner Ausbildung nach dem Studium fand dann quasi im Zuge der Arbeit statt. So konnte ich mir inzwischen viele weitere Fähigkeiten aneignen.

Hast du künstlerische Vorbilder?
Der einzige Künstler, den ich als Vorbild bezeichnen könnte, wäre Andy Warhol. Meine Begeisterung für Multiples und Variationen wurde als Teenager sehr von ihm inspiriert. Später, bei meiner Arbeit mit Genesis P-Orridge, war unsere gemeinsame Bewunderung für Warhol die treibende Kraft hinter vielen unserer Arbeiten.

Und welche Stile haben dich beeinflusst?
Als ich ein Teenager war, habe ich mich von Grafikdesignern wie Vaughan Oliver und Neville Brody anregen lassen. In meinen Augen stammen von ihnen die besten britischen Plattencover. Da es kein Internet gab, in dem man recherchieren konnte, bestand die einzige Möglichkeit, etwas über solche Künstler zu erfahren, darin, die von ihnen gestalteten Platten und Magazine zu kaufen. Im Laufe der Zeit hielt ich aber auch Ausschau nach weiteren Inspirationsquellen – manche nur kurz, andere längerfristig. In New York City zu leben hatte den Vorteil, ständig mit aktueller Kunst in Berührung zu kommen, die einen auf neue Ideen bringt.

Du hast eng mit PSYCHIC TV zusammengearbeitet. Wie kam es zu dieser Verbindung?
Genesis P-Orridge und ich haben uns Ende der 90er Jahre angefreundet, was dazu führte, dass ich PSYCHIC TV Anfang der 2000er Jahre mit ihnen neu formierte. Wir wollten eigentlich nur einen Gig spielen, nur so zum Spaß im Dezember 2002. Das führte dazu, dass wir fast zwanzig Jahre viel zusammen machten. Ich begann auch, mich um das komplette Artwork der Band zu kümmern. Als sich die Beziehung zwischen Genesis und mir im Laufe der Jahre vertiefte, wurde das Vertrauen immer größer. Sie ermutigten mich, weit zu gehen, und mischten sich nur selten in meinen Prozess ein. Die Einleitung von Genesis zu meinem Buch „Discipline: The Art of Psychic TV 2002-2016“ beschreibt die Geschichte unserer kreativen Beziehung sehr gut: „Edley ist ein Künstler, aber auch Hüter der Träume von PSYCHIC TV von einem positiven sozialen Wandel. Ungeachtet der öffentlichen Erwartungen besitzt er eine außergewöhnliche Klarheit in Bezug auf Sinn und Zweck, indem er einen eigenen Stil entwickelte, der die konzeptionellen Stärken und die verflochtene Ästhetik von PSYCHIC TV unterstützt. Nachdem wir uns vor vielen Jahren durch Lady Jaye kennen gelernt hatten und ihr Vertrauen in Edley eine unbezahlbare Empfehlung war, wurden wir zunächst Freunde. Es ist mir immer schwer gefallen, meine reichianische Panzerung zu senken und mein Inneres möglichen Enttäuschungen, ja sogar zu bestimmten schmerzhaften Zeiten dem Gefühl der Isolation auszusetzen. Doch im Laufe der Jahre, in denen wir miteinander verbunden waren, gingen wir schrittweise das emotionale Risiko ein und begannen mit der Zeit, einander vollständig zu vertrauen. Indem ich meine Seele entblößt und mein Leben in so vielerlei Hinsicht mit Edley geteilt habe, haben wir mit unserer Arbeit bei PSYCHIC TV mehr erreicht, als wir uns jemals erträumt hatten. Und wir träumen groß!“

Kann man deine Kunst auch kaufen?
Ich selbst habe mich in den letzten Jahren nicht auf den Verkauf von Kunst konzentriert, aber ich habe vor, einen neuen Shop zu eröffnen, in dem man Drucke nicht nur von meiner Arbeit mit PSYCHIC TV, sondern auch in anderen Bereichen erwerben kann. Um die Frage nach dem Preis zu beantworten: In einer Galerie wären die Kosten natürlich höher. Die beste Methode für den Verkauf ist bisher, wenn die Leute direkt mit mir Kontakt aufnehmen und sich nach dem erkundigen, woran sie interessiert sind. Manche Kunden wollen einen hochwertigen Druck, andere nur einen Flyer mit Autogramm ... daher variieren die Preise natürlich.

Arbeitest du komplett frei oder auch im Auftrag, etwa für Bands, Labels oder Konzertveranstalter?
Ich arbeite auf Bestellung. Aber wenn mich ein Projekt wirklich interessiert, arbeite ich auch schon mal umsonst!

Wie sieht es mit Ausstellungen aus?
2016 habe ich ein Buch mit dem Titel „Discipline: The Art of Psychic TV“ rausgebracht, das von einer umfassende Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Galerie Lethal Amounts in Los Angeles begleitet wurde. Sie war ein Erfolg und ich hatte vor, mit der Ausstellung auf Tour zu gehen. Sie sollte kurz nach L.A. in Madrid gezeigt werden, das wurde aber aufgrund von Genesis’ Leukämieerkrankung verschoben. Nachdem Genesis 2020 verstorben war, kam die Pandemie. Ich plane aber, mit dem Ausstellungsprojekt weiterzumachen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Was gibt dir deine Kunst auf emotionaler Ebene?
Kunst zu machen vermittelt mir normalerweise ein Gefühl der Ruhe. Es ist allerdings ein heikler Balanceakt, denn ich kann mich dabei sehr leicht für längere Zeit von der Welt isolieren.

Deine Website ...?
Es ist mir peinlich, aber meine Website ist mittlerweile ziemlich veraltet. Sie dient hauptsächlich dazu, meine Fähigkeiten als kommerzieller Grafikdesigner zu zeigen. Meistens stelle ich meine Kunst in den sozialen Medien vor ... und vergesse sie dann! Vielleicht komme ich 2024 dazu, eine neue Website zu erstellen. Aber ich finde Webdesign so langweilig ...