KNUCKLE PUCK

Foto© by Andy Eclov

Die düstere Seite des Erwachsenwerdens

Der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt ist wahrscheinlich dann, wenn gar nichts mehr so richtig gut läuft. KNUCKLE PUCK sind eine der Bands, die die Pandemie mit der vollen Breitseite erwischt hat. Ausgerechnet 2020 erschien „20/20“ und hatte damit gar keine Chance, dem großartigen Debüt „Copacetic“ sowie seinem Nachfolger „Shapeshifter“ gerecht zu werden. So richtig Bock auf Gute-Laune-Pop-Punk hatte zu der Zeit wohl niemand und Shows sind ja bekanntlich auch nicht wirklich möglich gewesen. „Losing What We Love“ ist nun also das Ergebnis eines Aufarbeitungsprozesses. Dass es dabei für alle Beteiligten auch mal unbequem werden kann und bereits beschrittene Pfade verlassen werden müssen, erklärt sich von selbst. Warum KNUCKLE PUCK am Ende zwar „erwachsener“, aber immer noch unverkennbar wie sie selbst klingen und wie sich das quasi „Comeback-Album“ für die Band selbst anfühlt, erzählt uns Sänger Joe Taylor.

Wann habt ihr dafür entschieden, mit eurem neuen Album „Losing What We Love“ neue Wege einschlagen zu wollen?

Wir haben 2020, genau zu Beginn der Pandemie, ein Album veröffentlicht. Ziemlich schnell haben wir da schon erkannt, dass nicht viele Menschen das Album hören werden, da wir nicht in der Lage sein würden, auf Tour zu gehen. Wir haben einfach direkt weiter Musik geschrieben, als das Album veröffentlicht wurde. Natürlich waren alle ein wenig enttäuscht, dass das Album nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen hat, wie wir es erwartet hatten. Das hat uns dazu inspiriert, wieder Musik zu schreiben, die mehr Emotionen und Gefühle ausdrückt, wie wir es früher gemacht haben. Wir sind alle um die dreißig Jahre alt und betrachten die Dinge ein wenig anders als vor ein paar Jahren.

Also kann man sagen, dass das neue Album so etwas wie euer emotionsgeladenes Corona-Baby ist?
So könnte man es tatsächlich sehen, ja. Wobei es immer irgendwie komisch klingt, wenn wir das Ganze auf die Zeit der Pandemie beschränken. Wir haben als Menschen auf jeden Fall viel dazugelernt und sind einfach bereit gewesen, neue Dinge auszuprobieren und uns noch mehr zuzutrauen als vorher schon.

Wie fühlt es sich für euch an, wenn ihr die neuen und doch verhältnismäßig düsteren Songs in eurem Live-Set spielt?
Es fühlt sich perfekt an. Wir haben „The tower“ und „Groundhog Day“ ziemlich oft gespielt und sie sind wie dafür gemacht, im Set zu sein.

Gerade Pop-Punk-Bands sind ja für ihre Jugendlichkeit und vielleicht sogar Unbekümmertheit bekannt. Ich stelle es mir schwierig vor, seit 13 Jahren in so einer Band zu spielen und sich als Künstler sowie Individuum, das sich entwickelt und älter wird, anerkannt und ernst genommen zu werden.
Ich denke, dass es wichtig ist, als Künstler anerkannt zu werden, aber gleichzeitig ist es nicht etwas, das wir unbedingt anstreben. Die Hörerinnen und Hörer werden das aus der Musik ziehen, was sie wollen. Wir können nicht für die Leute entscheiden, was sie aus der Musik mitnehmen sollen. Als Band haben wir angefangen, als wir jünger waren und es geht immer noch darum, uns zu treffen und Spaß zu haben. Wir wollen es ernst nehmen, aber als wir die Band gegründet haben, waren wir Kinder und Erwachsene haben uns damals schon nicht wirklich ernst genommen. Wir sind es gewohnt, einfach zusammenzukommen, Gitarre zu spielen und zu jammen. Dieser Zustand ist jetzt wieder eingetreten und es macht einfach wieder richtig Spaß.

Also dürfen die Leute auf euren Shows trotz der gedrückten Stimmung auf dem neuen Album auch lachen?
Wir versuchen mittlerweile während der Shows mehr Witze zu machen, aber wir bekommen oft nur leere Blicke zurück. Die Leute verstehen die Witze nicht ganz, aber wir machen weiter. Vielleicht sind es zu erwachsene Witze oder unser Publikum ist einfach nicht dafür geeignet. Wir sagen manchmal Dinge auf der Bühne, die ziemlich dumm sind, aber wir lachen darüber und haben Spaß.

Du hast vorhin gesagt, dass ihr es den Leuten selbst überlasst, was sie aus „Losing What We Love“ ziehen. Wie sieht es bei dir persönlich aus? Welche Bedeutung hat das Album für dich?
Wie ich schon sagte, fühlt es sich richtig an, diese paar Songs aus dem Album im Set zu spielen. Wenn ich das Album höre, fühlt es sich logisch an. Es fühlt sich an, als hätten wir genau das tun sollen. Ich liebe die Dynamik und den textlichen Inhalt des Albums und die Art und Weise, wie wir es produziert haben. Wir haben viel mehr zusammengearbeitet, als wir es früher getan haben. Es war mehr ein Gruppenergebnis als in den Jahren zuvor, als wir nur zu zweit Songs geschrieben haben. Früher hat die Person, die den Song angeregt hat, die Richtung bestimmt und jeder hat auf sie geschaut, um zu sehen, was als Nächstes passiert. Aber dieses Mal war es viel demokratischer. Wir haben alle aufeinander geschaut und es war eine schöne Abwechslung.

Ich stelle es mir so vor wie eine heiße Kartoffel, die niemand so richtig anfassen möchte, wenn man mal einen Teil des anderen nicht besonders gut findet und es der Person auch mitteilen muss. Das ist bestimmt eine große Herausforderung für die Bandchemie, oder?
Früher war es oft so, dass jemand einen Part hatte, den er nicht wirklich ändern wollte, aus Angst, dass es nicht gut wird. Aber auf diesem Album haben wir das überwunden. Wenn jemand sagt, dass ein Part gut ist, er aber vielleicht eine andere Idee hat, dann hören wir uns das an und entscheiden, was besser ist. Manchmal war es besser, manchmal nicht, aber es war immer cool, die Idee anzuhören. Das ist in der Vergangenheit nicht wirklich passiert ist. Es kann schwierig sein, weil wir alle Freunde sind und jeder will, dass es das Beste wird. Manchmal tritt man sich gegenseitig auf die Füße, aber am Ende zählt nur das großartige Ergebnis.

Ich denke, dass man mit dem Erwachsenwerden vieles überdenkt und Ängste entwickelt oder depressiv wird. Können es Erwachsene heute tatsächlich vermeiden, sich depressiv oder ängstlich zu fühlen? Ist es wichtig für dich, immer optimistisch zu bleiben, besonders wenn es um KNUCKLE PUCK geht?
Es ist Teil der menschlichen Natur, Ängste und Depressionen zu entwickeln, insbesondere in der heutigen Welt, die sich in den letzten zwanzig Jahren so stark verändert hat. Jeder ist miteinander verbunden und man bekommt alle Neuigkeiten aus der Welt mit, aber man weiß nicht, was wahr und was falsch ist. Es ist eine Menge, was auf jeden Einzelnen einprasselt und unsere bereits vorhandenen Ängste und depressiven Gefühle verstärkt. Das Leben ist ein Gleichgewicht und wir haben gute und schlechte Tage wie jeder andere auch. Es ist unvermeidlich, aber es gibt Dinge, die man tun kann, um es zu mildern. Es ist wichtig, Kunst zu schätzen und zu verstehen, da sie uns helfen kann, unsere Emotionen auszudrücken und uns mit anderen zu verbinden. Sie kann uns dabei helfen, unsere Gedanken und Gefühle zu verarbeiten und uns besser zu verstehen. Meiner Meinung nach ist es auch wichtig, Musik sowie jegliche Form von Kunst zu analysieren, da es uns hilft, den Wert davon zu schätzen und zu verstehen, wie sie uns anspricht und beeinflusst.

Wie bezieht sich das auf „Losing What We Love“? Ich habe gelesen, dass ihr es auf diesem Album gezielt vermeiden wolltet, eine allzu hoffnungsvolle Message rüberzubringen. Stattdessen wolltet ihr dem Leben den Spiegel vorhalten und Platz für viele düstere Emotionen lassen.
Sicher, und es ist auch eine andere Perspektive für uns, die mit dem Erwachsenwerden einhergeht. Wir haben immer versucht, die Dinge ziemlich positiv zu halten, aber es war schön, die Perspektive zu wechseln. Wir denken auch an die Situation mit Corona und all die Dinge, die seit 2020 passiert sind. Es ist wichtig, dass wir uns auf die Zukunft und auf das konzentrieren, was wir tun können, um uns selbst und andere zu schützen.

Welche der neuen Tracks stechen für dich besonders heraus?
„A new beginning“ ist der erste Track auf dem Album und einer meiner Lieblingssongs. Kevin hatte das Intro-Riff geschrieben und wusste nicht, was er damit machen sollte. Er war bei mir zu Hause und hat es auf meinem Computer aufgenommen. Dann habe ich ein paar Drums und einen kleinen Refrain hinzugefügt und gesagt: „Jungs, dieser Song ist großartig!“ Der Track ist so ganz organisch entstanden. Ich habe einige Gesangsparts geschrieben, die Nick dann ergänzt hat. Der Song fühlt sich einfach wie KNUCKLE PUCK in der Zukunft an. Zugleich klingt er aber auch so wie das, was wir versucht haben zu tun, als wir 19 waren.