40 jahre später: EA80

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Vorsicht Schreie (LP, selbstveröffentlicht, 1983)

Die zweite deutsche Punk-Welle strebt 1983 ihrem Höhepunkt entgegen. In diesem Jahr erschienen einige Klassiker-Platten, alle kämpferisch und politisch, sowohl textlich als auch im Artwork. Auf Aggressive Rockproduktionen waren es LPs wie die von CANAL TERROR, die erste TOXOPLASMA und von SLIME „Alle gegen Alle“. Die Alben von VORKRIEGSPHASE und STOSSTRUPP erschienen auf Rock-O-Rama. Und in Mönchengladbach brachte eine Band, die 1979 noch unter dem Namen PANZERFAUST gegründet wurde und sich schon bald in EA80 umbenannte, ihr erstens Album in Eigenregie heraus. Im Gegensatz zu LP-Titeln wie „Auf in den Tod“, „Zu spät“ oder „Wie lange noch?“ wirkt „Vorsicht Schreie“ fast schon wie eine Warnung vor dem Inhalt, und das Frontcover zeigt im Gegensatz zu denen anderer Bands keine Bullen oder Totenköpfe mit Irokesenschnitt, sondern in Schwarzweiß die Spitzen eines Tannenforsts. Der Opener trägt den Titel „Hello goodbye“. Bei jeder anderen Band hätte der nur aus fünf Wörtern bestehende Text „Always say hello, never goodbye“ banal gewirkt. EA80 machen daraus einen stabilen Ohrwurm der besonderen Art. Und unter den 18 weiteren Songs finden sich zwar durchaus politische und auch zornige Aussagen wie bei „Tot sind wir noch lange nicht“. Aber es sind eher die kleinen persönlichen Geschichten, die EA80 vertonen, als die erhobene geballte Faust. Zuweilen sind sie auf beklemmende Art düster und traurig wie bei „Einwegwelt“ oder „Zukunftschancen“. Und schon auf dieser Platte beweisen EA80 ihr besonderes Gespür für Liebeslieder der besonderen Art und für unglücklich Verliebte, wie bei „Korn“. Dann möchten sie sein wie Nils, den „die Mädchen mit ihrem Charme beglücken ...“, nur eben nicht das lyrische Ich. „Heinrich“ ist „Ein zarter Punk mit Brille“, der ebenfalls mit zarten Gedichten das Herz eines Mädchens gewinnen konnte, während die Verwandtschaft von einer guten Partie träumt, „doch sie will nur den Heinrich!“. Songs, die die Band heute noch spielt, wie das großartige „Matatu“ oder „Häuser“ stehen neben der Szenekritik in „Gewalt“ – wie schon bei „Marquee“ auf der ersten 7“. Nicht umsonst grüßen EA80 auf dem Backcover „Alle Punx, die ihren Verstand über ihre Lederjacke stellen“. WIRE dürften einen nicht gerade kleinen Einfluss auf die Band gehabt haben, ebenso wie der ganze frühe, sperrige britische Punkrock. Vor der Auslaufrille gibt es auf der ersten Seite einen nicht gelisteten Track. Man hört Wind und dann den Refrain eines ihrer ersten Songs „Gladbach soll brennen“, ein Cover von „Drums over London“ der Londoner Punkband ELECTRO ZOMBIES von 1976. Und so ist EA80 mit „Vorsicht Schreie“ ihr eigener Punk-Klassiker gelungen ... Ach ja, und tot sind sie noch lange nicht!