25 jahre später: TERRORGRUPPE

Foto

Keiner hilft euch (LP/CD, Gringo, 1998)

Was war denn da los? Neben schrammeligen Gitarren gibt es auf einmal so einen sauberen Sound, neben dem gewohntem Punkrock plötzlich Pop, Reggae und sogar Jazz, Keyboard, Bläser verschiedenste Gitarren-Sounds? Nein, das hatte ich mir damals unter Punkrock nicht vorgestellt, als die CD zusammen mit Tonträgern von GREEN DAY, WOHLSTANDSKINDER und anderen von einem Mailorder mein münsterländisches Jugendzimmer erreichte. Der Sound dürfte frühe TERRORGRUPPE-Schrammelpunk-Fans teilweise verstört haben, „Punk-Neulinge“ wie mich damals begeisterte diese Offenheit der Genres nach anfänglicher Irritation. Und das, was TERRORGRUPPE insbesondere auf „Keiner hilft euch“ machen, durfte man als den bandtypischen „Aggropop“ kategorisieren und verstehen. Damit zeigen Johnny Bottrop und Archie „MC Motherfucker“ Alert, Hermann v. Hinten und Zip Schlitzer (R.I.P.), dass Punk auch so klingen „darf“. Ein weiterer Clou: Durch diesen klaren Sound kamen die Lyrics um so deutlicher hervor. Und das war schon eher das, was ich mir unter Punk vorgestellt hatte. Ich bin mir sicher, dass meine Eltern bei „Platzverweis für Polizisten“, dem jazzigen „5 Kilo“ oder „Leider nur ein Traum“ mit großen Ohren an der Zimmertür gelauscht und sich Sorgen gemacht haben, dass der Junge auf die schiefe Bahn gerät. Ich für meinen Teil wage zu behaupten, dass das meiste ganz gut gelaufen ist. Für TERRORGRUPPE war mit „Keiner hilft euch“ allerdings der Weg weg vom typischen Deutschpunk der frühen Neunziger zu Ende, dabei war das Debüt „Musik für Arschlöcher“ erst drei Jahre alt, das gefeierte „Melodien für Milliarden“ mit dem Chaostage-Soundtrack „Wochenendticket“ feierte erst seinen zweiten Geburtstag. Aber wenn diese konsequent antifaschistische Haltung die Tür des klassischen Punkrock zu anderen musikalischen Genres öffnet: Bitte, gerne!
Und was daraus wurde, wissen wir: Alben wie „Fundamental“ oder „Inzest im Familiengrab“, auf denen TERRORGRUPPE mit ihrer immer poppiger werdenden Art selbst innerhalb ihrer Fangemeinde provozierten, die Hinzunahme von Keyboards und elektronischen Elementen, immer größere Konzert- und Festivalauftritte, auf denen der Sound Geschwindigkeit einbüßte, wenn auch die Fangemeinde wuchs, es gab Kooperationen mit K.I.Z. und anderen nicht gerade Punk-typischen Bands. Heute produziert Archie Musik – auch nicht nur für Punkbands –, Johnny Bottrop zupft bei ACHT EIMER HÜHNERHERZEN den Akustikbass und Uli „Eros Razorblade“ Breitbach startete als Uli Sailor seine Solokarriere mit dem Punkrock-Piano. Bassist Zip Schlitzer ist 2022 leider von uns gegangen.