Monatsarchiv: Mai 2016
ARCHITECTS – All Our Gods Have Abandoned Us
30. Mai 2016 | Veröffentlicht von Dennis unter Allgemein |
Nicht wenige haben sich nach dem überragenden „Lost Forever // Lost Together“ berechtigterweise gefragt, was danach eigentlich noch kommen kann. Die Antwort: einiges. Oder besser: viel mehr. Dabei ist „All Our Gods Have Abandoned Us“ ganz und gar kein Hit-Album geworden, sondern vor allem Zeugnis einer Band, die ihren Sound sehr nahe an die Perfektion gebracht hat. Das siebte Studioalbum der Brightoner Formation ist – vereinzelten seichteren Augenblicken zu Trotz – eine durchweg knüppelharte Angelegenheit, die vehement am Hörer arbeitet. Stilistisch hält sich die jüngst zum Quintett gewachsene Truppe dabei ganz an die Tradition des Vorgängerwerkes – allerdings weitaus weniger offensichtlich. Denn sowohl was Songstrukturen als auch Melodien angeht, agieren die Briten wesentlich komplexer und vielschichtiger. Die Platte präsentiert sich gewissermaßen als schwerer, modriger Teppich, der unter größtem Einsatz aufgerollt werden muss. Natürlich machen es ARCHITECTS dem Hörer dabei mit Songs wie dem vorab veröffentlichten „A match made in heaven“ und „From the wilderness“ zwischendurch auch leicht. Seinen tatsächlichen Reiz bezieht das Album aus Stücken wie dem dezent vertrackten „Gone with the wind“ und dem wüst hämmernden „Nihilist“, deren Kern zwischen schierer Brutalität und anfangs scheinbar unspektakulären Momenten zunächst herausgefiltert werden muss. Ist das gelungen, entfacht „All Our Gods Have Abandoned Us“ einen mächtigen Strudel aus Virtuosität, technischem Witz, Tiefe und Emotionalität. Folglich lassen sich zweierlei Dinge festhalten. Erstens: Das Teil ist ein würdiger Nachfolger des vorangegangenen Albums. Zweitens: ARCHITECTS sind eine wichtigsten Bands unserer Zeit. Großartig. (Epitaph)
Anton Kostudis
HEISSKALT – Vom Wissen und Wollen
30. Mai 2016 | Veröffentlicht von Dennis unter Allgemein |
Wann immer Menschen eine zwischenmenschliche Verbindung eingehen, gehört neben dem geteilten Glück auch immer wieder Schmerz dazu und so sehr es auch schmerzt, fällt es nicht jedem leicht, sich von Menschen zu trennen. So geht es auch Sänger Matze, in dessen Texten sich das widerspiegelt. Angefangen mit dem Gefühl von zurückgewonnener Freiheit und Neuanfang („Euphoria“) über die Erkenntnis, wie sehr die Beziehung einem die Kraft geraubt und in die Selbstzweifel getrieben hat („Absorber“), führt die Reise über das Loop-artige „Angst hab“ in die generelle Unsicherheit, Trauer und Resignation, die einfach nicht enden will. Auf die anfängliche Wut folgt die Verzweiflung. Man fühlt sich verloren und richtungslos („Apnoe“) und fürchtet sich vor der permanenten Veränderung („Trauriger Macht“), ist völlig überfordert, hält dem Druck kaum Stand („Von allem“) und macht sich emotional viel zu abhängig („Doch“), bis man dem widersteht und sich wieder nach vorne kämpft („Nichts weh“). Genau das machen HEISSKALT in den letzten vier Songs bis zum finalen Befreiungsschlag in „Papierlunge“. Diese Gefühlsachterbahn wird unterstrichen durch ein Spiel mit den Extremen. Aggressive Parts, gefüllt mit dreckigem Lärm, gehen über in verträumt-nebelige Melancholie, was dem Werk im Gesamten eine besondere Tiefe verleiht. (Department Musik)
Andre Teilzeit
POLAR – No Cure No Savior
30. Mai 2016 | Veröffentlicht von Dennis unter Allgemein |
Seit circa einem Jahr stehen POLAR jetzt schon auf meine „Best of Hardcore“-Liste und gehören auch zu den Bands, die mich an dieses Genre glauben lassen. Scheinbar um diese Ansicht noch zu belegen, bringen die Engländer schon bald ihr neues Album „No Cure No Savior“ auf den Markt und belegt damit eindeutig, dass auch hervorragende Bands sich immer noch steigern können. Die Jungs fabrizieren den altbekannten Stil von „Shadowed By Vultures“ weiterhin souverän, legen hier aber noch eine Schippe an Power und Leidenschaft drauf. Klarer Sound, einprägsame Refrains, tiefgründige Lyrics, Soli und Breakdowns – alles wird auf eine perfektionistische Weise ausgeführt. Instrumentale Tracks, die der heftigen Non-Stop-Power keineswegs den Wind aus den Segeln nehmen, fügen sich vollkommen in die Albumstruktur ein und teilen die Platte – gewollt oder ungewollt – in mehrere Akte ein. Ein starker Favorit ist der Song „Deus ex machina“, bei dem POLAR tatkräftige Unterstützung von COMEBACK KID-Fronter Andrew Neufeld bekommen haben. Abschließend lässt sich sagen, dass POLAR im Grunde ein vollkommen perfektes Werk abgeliefert haben und damit neue Maßstäbe im Melodic Hardcore setzen. Bereits jetzt ist klar, dass „No Cure No Savior“ am Ende des Jahres der Platz in einigen „Best of 2016“-Rankings sicher sein wird. (Prosthetic)
Philip Zimmermann
NAILS – You Will Never Be One Of Us
30. Mai 2016 | Veröffentlicht von Dennis unter Allgemein |
„Ich mache nicht Musik, um Freunde zu finden“, erklärt Todd Jones den Song „Friend to all“. Lieber hätte er fünf intensive Freundschaften und 95 Feinde, als hundert laue Bekanntschaften. Diese kompromisslose Art bestimmt jedes der nunmehr drei NAILS-Alben. Das erste, „Unsilent Death“, erschien der Band bald als zu catchy, was das zweite, „Abandon All Life“, zu einem noch aggressiveren Brocken machte. Selbst erfahrene Extrem-Metal-Freunde verbuchen alle drei als Schlag in die Körpermitte. „You Will Never Be One Of Us“ sollte wieder eingängiger werden, damit etwas in Erinnerung bleibt, wenn der Schmerz nachlässt. Es ist nicht so leicht, wie man es anhand der simplen Mittel denken mag, das maximal zerstörende Album zu schreiben. Beim dritten Anlauf klingen NAILS, als hätte man ein halbes Dutzend Grindcore-, Hardcore- und Death-Metal-Bands in einen Kessel geworfen und komprimiert, als wolle man Diamanten pressen. Es dauert, bis man von diesem Konzentrat einzelne Riffs erhält, Eingängigkeit ist auf diesem Level ein relativer Begriff. Nur das abschließende „They come crawling back“ hat Überlänge. „Ich bin Fan von langen Abschlusstracks, die dich noch mal richtig auslaugen“, meint Jones, als wäre das nach dieser Viertelstunde nötig. „You Will Never Be One Of Us“ erreicht eine Länge von 21 Minuten, deren Intensität einem die Spucke wegbleiben lässt. (Nuclear Bleast)
Ingo Rieser
WHITECHAPEL – Mark Of The Blade
30. Mai 2016 | Veröffentlicht von Dennis unter Allgemein |
WHITECHAPEL gehen mit „Mark Of The Blade“ den Weg weiter, den sie bereits mit „Whitechapel“ eingeschlagen haben. Die Band ist längst den ganzen Deathcore-Klischees entwachsen, auch der Begriff Death Metal wird dem nicht mehr gerecht, haben sie ihren Sound doch mittlerweile auf stadiontaugliche Breitwand gehievt. Ein sehr dunkles Stadion natürlich, voller Dämonen und Gedärme, aber definitiv groß. So überzeugt auch dieses Album neben der gewohnt rohen Gewalt wieder mit ruhigen, emotionalen Momenten, man nehme nur einen Song wie „Bring me home“, welcher durch seine Stimmung und den klaren Gesang besticht. Dieses Aufbrechen der üblichen Genrestandards zieht sich bereits durch die Vorgängeralben „Our Endless War“ und „Brotherhood Of The Blade“. Die Band scheut sich nicht, den Fuß vom Gas zu nehmen, mehr Wert auf Melodien und in sich geschlossene Songs zu legen. Das ganze Album, vor allem aber der Abschluss „Decennium“ verströmt sogar eine Art von positiven Vibes, mit einer dicken Portion „fan luv“ (DJ Khaled Voice) wieder etwas komplett Neuartiges im Gefüge der Band. „Mark Of The Blade“ soll die Verbundenheit zwischen Band und Fans widerspiegeln. Dies ist mit diesem Album geglückt, schließlich bekommen Hörer wieder einmal ein hervorragendes Album von einer Band, die sie seit nun zehn Jahren niemals im Stich lässt. (Metal Blade)
Frank Engelhardt